Der Harzer Bundestagsabgeordnete Dr. Eberhard Brecht (SPD) hat sich noch einmal für eine provisorische Verfüllung der laut Denkmalschützern freizuhaltenden Reste der Klosterwerke ausgesprochen. Er plädiert gleichzeitig für das Schaffen eines „Ortes zum Gedenken und Lernen” in Blankenburg, der die Schicksale der Opfer in den Vordergrund stellt.
Zur Diskussion über die anstehende Verfüllung der ehemaligen Klosterwerke in Blankenburg – einer 1944 durch Zwangsarbeiter für ein NS-Rüstungsprojekt geschaffenen Untertageanlage – hat sich der Harzer SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Eberhard Brecht zu Wort gemeldet. Er hatte sich bereits im Sommer vergangenen Jahres gemeinsam mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Heike Brehmer für eine Lösung eingesetzt. Dabei geht es im Kern um die Frage, 50 Meter der riesigen Hallen als Originalschauplatz von Kriegsverbrechen unverfüllt freizuhalten, oder sie – wie von der Oberen Denkmalbehörde und Häftlingsverbänden gefordert – zu bewahren – selbst auf Kosten eines Restrisikos von Tagesbrüchen und deren unabsehbaren Folgen.
Laut Eberhard Brecht gehe es in der inzwischen emotional geführten Debatte um die Achtung der Angehörigen von ehemaligen Häftlingen und Zwangsarbeitern. „Es geht um eine geeignete Erinnerungskultur, die nicht nur gedenkt, sondern auch politisch bildet, für die immanente Gefahr ethischer Beliebigkeit sensibilisiert, um eine Wiederholung solch staatlich sanktionierter Verbrechen zu verhindern”, teilte Brecht in einer Presseerklärung mit. In der Debatte gehe es aber auch um Geld und eine aus seiner Sicht noch viel gefährlichere Entwicklung: Mit dem Hintergrund eines von AfD-Politikern propagierten geschichtlichen Revisionismus, einhergehend mit der Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus, ist eine offene Debatte um ein geeignetes Erinnern an die die Verbrechen Hitlerdeutschlands und dessen Opfer ein riskantes Unterfangen geworden“ meint er und fragt „Wie gehen wir in diesem Kontext mit der schwierigen, deutschen Geschichte richtig um?“
Brecht erinnert dabei an die lebhafte Diskussion im Förderverein des ehemaligen KZ-Außenlagers Langenstein-Zwieberge, welcher Streckenabschnitt des von Häftlingen errichteten 13 Kilometer langen Stollensystems wieder erschlossen werden sollte, war doch das Höhlensystem nicht nur ein Ort der Arbeit, sondern auch ein Ort des Sterbens. „Provokant ist zu fragen, ob die Qualität des Gedenkens an das Leid von Häftlingen, das ‘Verständnis über die Ursachen dieses Leids mit der Länge des begehbaren Teils einer Stollenanlage in einem direkten Zusammenhang steht. Sind es vor allem technische Anlagen und deren Ausmaße, die unsere Empathie herausfordern oder vielmehr das Wissen um die Schicksale der Opfer?”, fragt der Quedlinburger, der nach seinen Worten die vom Historiker Harald Melzer geäußerte Warnung vor einem „kontra-produktiven Pathos erinnerungskultureller Redeformeln” und insbesondere dem „monumentalisierten Grauen” teile. „Mit dem Aussterben der Häftlingsgeneration, teilweise auch schon der nachfolgenden, gehen zwei Veränderungen einher. Einerseits verschiebt sich das für ehemalige Häftlinge und deren Kinder wichtige – auf einen definierten Ort bezogene – Erinnern mehr zu einem Gedenken und Lernen der jetzt lebenden Generation”, erklärt Brecht. So sei zunächst einmal nachvollziehbar, dass Dominique Durand vom „Comite International Buchenwald-Dora” auf dem Erhalt des Erinnerungsortes Klosterwerke Blankenburg besteht (Harzer Volksstimme vom 20. Januar). „Andererseits rückt die jüngere Vergangenheit unseres Landes durch das Fehlen biografischer Authentizität in eine große Ferne zur Gegenwart; die direkt Begegnung mit den Überlebenden ist nur schwer ersetzbar”.
“Dennoch, und hier widerspreche ich Dominique Durand, bin ich als besorgter Beobachter der Erosion demokratischer Grundwerte in Europa weniger an 50 Meter Stollen, dafür mehr daran interessiert, welche psychologischen, soziologischen, kulturellen und politischen Randbedingungen den ,Tod durch Arbeit’ und die Shoa erst ermöglicht haben”, erklärt Eberhard Brecht.
Wie er weiter ausführt, will er „etwas über die Menschen wissen, die hier geschuftet haben und auch zu Tode gekommen sind. Woher kamen sie? Wie fielen sie in die Hände der Nazis? Was mussten sie erleiden? Was ist aus ihren Familien geworden? Wer waren ihre Peiniger? Was wussten die Blankenburger über die Zustände in den Klosterwerken?”
Eberhard Brecht plädiert daher – ergänzend zu einer provisorischen Verschüttung jener 50 Meter Klosterwerke – für einen der gesellschaftlichen Bildung verpflichteten Gedenkort in Blankenburg. „Hier sollten die gut dokumentierte Topografie der Klosterwerke, Filmmaterial und Angebote für digitale Plattformen präsentiert werden. Noch zu recherchierende Biografien der ehemaligen Häftlinge könnten Empathie wecken und eigene Verantwortung für unser Gemeinwesen generieren.
Wir müssen Vergangenheit und Gegenwart vernetzen, um aus der Erinnerungsarbeit heraus zu einem lebendigen Demokratieverständnis zu kommen. Ich sehe Gedenkstätten vor allem als ,Laboratorien historisch-politischer Orientierung'”, so Brecht, der damit eine Aussage des bekannten Historikes Harald Schmid aufgreift.
„Trotz der bereits bestehenden Gedenkorte in unserer Nähe sollte allen Blankenburgern verdeutlicht werden, dass in ihrer direkten Nachbarschaft Unrecht geschah und unsere Vorfahren überwiegend weggeschaut, wenn nicht sogar Beifall gespendet haben”, meint Brecht, der 14 Jahre lang Oberbürgermeister von Quedlinburg war. Die Stadtverwaltung Blankenburg sei daher gut beraten, einen Ort des Auseinandersetzens nicht allein, sondern mit Experten der bekannten Gedenkstätten wie Buchenwald, Mittelbau-Dora und anderen und unter Beteiligung der Bürger zu entwerfen. Dies habe der Bürgermeister der Stadt Blankenburg richtigerweise angeregt. „Er liegt aber rechtlich daneben, wenn er den Bund in die Verantwortung für die Finanzierung eines Gedenkortes stellt. In unserem föderalen System stehen hierfür eindeutig Stadt und Land in der Verantwortung”, macht Brecht deutlich.
In seiner Pressemitteilung zur Diskussion über die Verfüllung der Klosterwerke verweist Eberhard Brecht auch auf das von ihm im Mai 2019 herausgegebene Büchlein „Zerstörte Lebenswelten, Juden in Quedlinburg 1933-1945″ (Mitteldeutscher Verlag, ISBN: 978-3963111754): „Bei der Befragung von Zeitzeugen für meine Nachforschungen zum Schicksal der Quedlinburger Juden habe ich mehr über die Mechanismen des Nationalsozialismus verstanden, als vor den Resten des Krematoriums im KZ Buchenwald stehend.”
Quelle: Harzer Volksstimme vom 25.1.2021, Autor: Jörg Niemann