„Stolpersteine” als Geschenke

Einen Herzenswunsch möchte sich Christa Grimme erfüllen. Die engagierte Blankenburgerin, die heute ihren 70. Geburtstag feiert, will das europaweite Kunst-und Erinnerungsprojekt „Stolpersteine” in der Harzstadt umsetzen.

Christa Grimme
Christa Grimme

Von Jens Müller – Blankenburg. Dem großen Geburtstagstrubel ist Christa Grimme entflohen. Sie schippert an ihrem heutigen Ehrentag auf einem Schiff übers Meer und genießt mit ihrem Gatten Heinz quasi die Ruhe vor dem Sturm. Denn die engagierte Blankenburgerin wird sich nach ihrer Rückkehr gleich wieder mehreren Vorhaben widmen. Eines ist natürlich eine nachträgliche Feier aus Anlass ihres 70. Geburtstages, zu dem sie die Familie, Freunde, Verwandte und Weggefährten in ihrem Fachwerkhäuschen begrüßen wird. Dabei sind Geschenke tabu. Stattdessen wird eine Tradition fortgeführt: „Bei runden Geburtstagen werden unsere Geschenke immer weitergegeben”, sagt Christa Grimme. Davon profitierten in der Vergangenheit bereits der Tschernobylverein, die August-Bebel-Schule und der Verein „Rettung Schloss Blankenburg”.

In diesem Jahr möchte die Sozialdemokratin endlich ein Projekt umsetzen, das schon lange ein Herzenswunsch ist: „Ich möchte die ,Stolpersteine’ für Blankenburg”, so Christa Grimme, die ihre Geburtstagsgäste um Unterstützung bittet. „Ich möchte, dass sich die Blankenburger zu ihrer Vergangenheit bekennen und in der heutigen Zeit Flagge zeigen”, sagt sie. Denn auch in der Harzstadt gab es jüdisches Leben.

Schülerprojekt als Anstoß Ein engagiertes Schülerprojekt – von einer achten Klasse der Sekundarschule „August Bebel” umgesetzt – hatte im Jahr 2008 einige Namen iüdischer
Mitbürger zu Tage gefördert. Demnach lebten noch 1939 mehrere Familien jüdischen Glaubens in der Harzstadt. So die Kaufleute Alexander Meyer und Conrad Hesse, Moritz Westfeld, Firmenleiter eines Reinigungsdienstes, Dr. Hans Hermann Ewh, Leibarzt von Herzog Ernst-August von Han-nover, die Kauffrau Lydia Rhynarsewski und Dr. Sukolowski, Firmenchef der „Harzer Werke”. An ihr Schicksal sollen Gedenktafeln, „Stolpersteine” genannt, erinnern.

Für einen finanziellen Grundstock zur Umsetzung dieses Projektes hatte Christa Grimme bereits vor zehn Jahren einen Fernsehbeitrag über diese Initiative gesehen und auf das Projekt der Bebel-Schule aufmerksam geworden war. „Jetzt soll es endlich realisiert werden”, sagt sie und hat dafür bereits die Unterstützung von Bürgermeister Heiko Breithaupt (CDU). „Es ist wichtig zu erinnern und auch eine Erinnerungskultur zu pflegen – und das nicht nur zu offiziellen Gedenktagen”, ist Christa Grimme überzeugt, die im SPD-Kreisvorstand für die Erinnerungskultur zuständig war und damit zu den offiziellen Gedenkfeiern die Blumen überbrachte.

Christa Grimme wurde am 18. Oktober 1948 in Hannover geboren und in einem Dorf bei Hildesheim aufgewachsen. Unter der Obhut ihrer Großmutter, die ihr das Schulgeld bezahlte, konnte sie sogar das Gymnasium besuchen. Ihre Oma und ihre Grundschullehrerin, die aus Halle stammte, waren in diesen Jahren besonders prägend. „Ich hatte schon sehr früh den Wunsch, Lehrerin zu werden”, erinnert sich Christa Grimme. „Mein Vater hat mich für verrückt erklärt. Ich sollte was Vernünftiges lernen”, sagt sie. Mithilfe ihrer Großmutter konnte sie aber ihren Weg einschlagen und schloss ihr Studium in den Fächern Werken, Kunst und Englisch ab, um danach ein Psychologiestudium zu beginnen. Bis 2008 blieb sie im Schuldienst in der Nähe von Braunschweig, zuletzt an einem Zentrum mit Real- und Ganztagsschule. Ihre Zeit an der Mädchen-schule und ihr Elternhaus haben sie aber auch politisch geprägt. „Es wurde immer Wert darauf gelegt, dass wir uns sozial engagieren”, berichtet Christa Grimme. Sie selbst ist seit 45 Jahren Mitglied der SPD und seit dieser Zeit auch gewerkschaftlich aktiv. Ihr großes Idol Willy Brandt konnte sie persönlich beim SPD-Parteitag 1973 in Hannover kennenlernen. „Das war toll, das zu erleben”, sagt sie noch heute über diese Aufbruchzeit. „Wir kämpften dafür, die Studiengebühren abzuschaffen und allen Menschen Zugang zu Bildung zu ermöglichen – unabhängig von ihrer Herkunft. Leider ist das heute noch ein Thema.” Das Ringen für diese Rechte zieht sich bis heute wie ein roter Faden durch Christa Grimmes Biografie. Seit sie sich mit ihrem Mann Heinz in ein Fachwerkhäuschen in Blankenburg verliebt, es saniert und ausgebaut hat, engagiert sie sich in ihrer Blankenburger Wahlheimat. Bereits 1994 wurde sie in den Kreistag gewählt, dem sie seither ununterbrochen angehört – lange Zeit als dessen Vorsitzende und mit einer Unterbrechung von drei Jahren bis jetzt als stellvertretende Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, im Bildungsausschuss und bis zur Neuwahl des jüngsten Kreistages als Aufsichtsratsvorsitzende der Kreisvolkshochschule. Neben ihrem Engagement in der Arbeitsgruppe Veranstaltungen des Vereins „Rettung Schloss Blankenburg” leitet Christa Grimme seit gut einem Jahr einen Malzirkel im Georgenhof. Neben eigenen künstlerischen Arbeiten, stehen dabei Ausstellungsbesuche auf dem Programm, wie demnächst ein Ausflug zur Klimt-Schau nach Halle.

Hintergrund

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Diese quadratischen Messingtafeln werden meist vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster oder den vorhandenen Gehwegbelag eingelassen. Im Harzkreis gibt es Stolpersteine bislang in Halberstadt, Ilsenburg, Benneckenstein, Quedlinburg und Wernigerode.

Quelle: Harzer Volksstimme, 18.10.2018 – Autor: Jens Müller

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